Lohnt sich die Gründung eines eigenen Großhandels für Apotheken? – Apothekenrecht
- Rechtliche Voraussetzungen und wirtschaftliche Gesichtspunkte -
Mit Wirkung zum 1.01.2012 hat ein Hersteller nach der AMPrVO bei Direktbezügen von Apothekern die Vorgaben der AMPrVO für den Großhandel einzuhalten. Der Hersteller muss danach wie ein Großhändler dem direkt beziehenden Apotheker den gesetzlich vorgeschriebenen Fixzuschlag von 0,70 € je abgegebener Packung neben dem Herstellerabgabepreis berechnen und darf ihn nicht an den Apotheker weitergeben. Diese gesetzliche Vorgabe entfällt, wenn der Apotheker selbst zugelassener Großhändler ist. Dadurch entsteht ein starker Anreiz für Apotheker, die Großhandelserlaubnis zu beantragen. Danach muss es ein Apotheker gerade darauf anlegen, als Großhändler zugelassen zu sein bzw. die Großhandelserlaubnis der zuständigen Erlaubnisbehörde zu beantragen und zu erhalten. Dadurch entsteht ein entsprechender erhöhter berufsrechtlicher Beratungsbedarf.
1. Dies vorausgeschickt lassen sich die rechtlichen Eckpunkte für eine Großhandelserlaubnis wie folgt umreißen:
Für die Frage, ob die Großhandelstätigkeit einer Apotheke der Erlaubnis bedarf, ist zwischen der Abgabe von Arzneimitteln im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs und der Abgabe von Arzneimitteln darüber hinaus zu unterscheiden (vgl. § 52a AMG).
Erstere ist ausdrücklich erlaubnisfrei. Erlaubnisfrei ist insbesondere die Belieferung von Krankenhäusern, die Weitergabe von Arzneimitteln im Rahmen von Einkaufsgemeinschaften und im Rahmen eines Filialverbands, kollegiale Hilfeleistungen zwischen Apotheken und Retouren an Handel und Industrie.
Jede darüber hinausgehende Tätigkeit bedarf hingegen der Erlaubnis, die insbesondere folgende Voraussetzungen hat:
- grundsätzlich gesonderte Räume für das Großhandelslager innerhalb der Apotheke; nur angrenzende oder benachbarte Räume könnten problematisch sein; eine Raumgröße wird nicht benannt;
- nur Büro- und Sozialräume und z. B. die Anlieferungsschleuse dürfen vom normalen Apothekenbetrieb und dem Großhandel gemeinsam genutzt werden.
- Vorhandensein eines QMS-Handbuchs. Ein solches Handbuch wird nach der Andeutung der Kammer nach deren Mitteilung nur dahin überprüft, ob die dortigen Angaben mit den Voraussetzungen vor Ort übereinstimmen; ob die Vorgaben des QMS-Handbuchs dann im praktischen Betrieb eingehalten werden, wird offenbar nicht überprüft.
- bestimmte Personalverantwortlichkeiten
- Handelsregistereintragung, die den Geschäftsgegenstand des Großhandels einschließt.
Die Genehmigungsbehörden schauen bei Antragstellung vermehrt darauf, welchen Zweck die Gründung hat, wer letztendlich die eingekaufte Ware bekommt und welchen zeitlichen Umfang die Großhandelstätigkeit im Rahmen der gesamten Tätigkeit des antragstellenden Apothekers einnimmt (anzeigepflichtige Nebentätigkeit). Vereinzelt hört man, dass sich die Genehmigungsverfahren über mehrere Monate hinziehen und Genehmigungen auch unter Umständen abgelehnt werden.
Wegen der weiteren einzelnen Voraussetzungen wird auf das Merkblatt der Apothekerkammer Niedersachsen verwiesen, das unter der Internetadresse www.apothekerkammer-niedersachsen.de unter der Rubrik Apothekenaufsicht – Großhandelsgenehmigung abgerufen werden kann. Andere Kammern haben ähnliche Merkblätter zum Abruf.
Nur für den Fall, dass ein Apotheker einen Arzneimittelgroßhandel außerhalb seiner Apothekenräumlichkeiten betreiben möchte, unterliegt er den gleichen Genehmigungsvoraussetzungen wie der gewerbliche Pharmazeutische Großhandel. Dann wären in Niedersachsen statt der Apothekerkammer die Gewerbeaufsichtsämter für den Antrag auf Großhandelserlaubnis zuständig. Zugleich benötigt ein solcher Apotheker eine gesonderte Handelsregistereintragung unter einer anderen Firma als die seiner Apotheke.
Darauf hinzuweisen ist noch, dass ein Apotheker als Großhändler nur dann einen Anspruch auf Belieferung durch die Pharma-Industrie hat, wenn er nachweist, dass er ein Vollsortiment führt.
2. Aus wirtschaftlicher Sicht ist auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen:
a) Während alle Apotheken in 2012 wegen der Vergütungsumstellung im AMNOG eine fallende Ertragssituation aus RX-Rabatten erleiden werden, können die Lieferanten sich in 2012 aufgrund der 70 Cent Fixvergütung über zusätzliche Erträge erfreuen. Anhand einer Simulationsrechnung ergibt sich ein Zusatzertrag für die Lieferanten (von ca. +40 Mio. € für Großhandel und direkt liefernde Hersteller), welche die Apotheker zumindest teilweise, beispielsweise durch die Gründung eines Großhandels, abschöpfen möchten.
b) Sicherlich kommt nur eine kleine Anzahl von gängigen Generika-Firmen als Lieferant in Frage, da die zu bestellenden Arzneimittel i.d.R. niedrigpreisig (unter 30 Euro) sein werden. Hier muss die Einkaufsmenge entsprechend hoch sein, um eine rentable Bestellmenge im Hinblick auf die Arbeitskosten zu garantieren. Bei einer höheren Skontierung als im Großhandel üblich, kommen sicherlich auch noch einige Hochpreis-Packungen von Original-Herstellern oder Re-Importeuren in Frage. Diese sind aber teilweise jetzt schon kontingentiert und nur schwer zu bekommen.
c) Derzeit bestellen Apotheken im Direktbezug durchschnittlich ca. 3.000 RX-Packungen p.a. Um einen eigenen Großhandel gewinnbringend betreiben zu können, müsste diese Menge aber deutlich erhöht werden. Möglicherweise schwächt der eigens gegründete Großhandel eines Apothekers seine Position dann aber gegenüber seinem bisherigen Hauptgroßhändler. Ein Apotheker wird in 2012 für seinen Hauptgroßhändler umso weniger interessant, je weniger Packungen er von ihm bezieht. Umgekehrt gilt, dass je mehr Packungen die Apotheke von ihm bezieht (derzeit Ø rund 35.000 RX-Packungen p.a.), desto interessanter ist der jeweilige Apotheker für ihn, da der Großhändler direkt von dem Fixzuschlag von 70 Cent pro Packung profitieren wird.
d) Den möglichen Erträgen durch einen eigenen Großhandel stehen Kosten gegenüber: zusätzliche Raumkosten/Miete, Investitionen in die Erweiterung der Software (Vernetzung), Kosten durch zusätzliches Personal, Kapitalbindungskosten durch Wareneinkauf, Antrags-kosten usw.
Das Für und Wider der Gründung eines eigenen Apotheken-Großhandels ist also von jedem Apotheker vor einer Entscheidung nach seiner individuellen Situation sorgfältig abzuwägen.
Dr. Johannes Kevekordes
Rechtsanwalt und Notar
Für kompetente Beratung im Apothekenrecht