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Formen der Tarifbindung und ihre Reichweite – Apothekenrecht

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind häufig unsicher, ob und inwieweit für ihr Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag gilt.

Für selbstständige Ärzte geht es um die Geltung des Gehaltstarifvertrags, des Manteltarifvertrags und des Tarifvertrags zur betrieblichen Altersversorgung und Entgeltumwandlung für Medizinische Fachangestellte/Arzthelferinnen zwischen der Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelferinnen/Medizinische Fachangestellten und dem Verband medizinischer Fachberufe e. V. (nachstehend TV Arzthelferinnen). Für Apotheker geht es um die Geltung des Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmitarbeiter zwischen dem Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken e. V. und der ADEXA - Die Apothekengewerkschaft - (nachstehend BRTV).

Beiderseitige Verbandsmitgliedschaft

Zweifelsfrei gelten die Bestimmungen von Tarifverträgen wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer Mitglieder in den tarifschließenden Parteien, also Arbeitgeberverbänden beziehungsweise Gewerkschaften sind. Dann ordnet das Tarifvertragsgesetz die Tarifbindung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer an. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein selbständiger Apotheker Mitglied eines Landesverbands der Apotheker ist, der wiederum über den Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken e. V. Vertragspartner der Adexa ist.

Vertragliche Einbeziehung von Tarifverträgen

Der in der Praxis wichtigste Fall für die Geltung von Tarifverträgen ist die vertragliche Einbeziehung in das Arbeitsverhältnis. Dadurch können sich auch gesetzlich nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die keinem Verband und keiner Gewerkschaft angehören, an die Bestimmungen des brancheneinschlägigen Tarifvertrages wie den TV Arzthelferinnen oder den BRTV binden. Die vertragliche Bezugnahme muss bestimmt und eindeutig sein. Es muss erkennbar sein, auf welchen Tarifvertrag und auf welche Bestimmungen des Tarifvertrags im Einzelnen verwiesen werden soll. Aufgrund der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien ist es möglich, nur Teile des TV Arzthelferinnen oder des BRTV in das Arbeitsverhältnis zu übernehmen, etwa Arbeitszeit, Kündigungsregelungen oder Altersversorgung und von der Übernahme der tariflichen Vergütungssätze Abstand zu nehmen. Bei der vertraglichen Bezugnahme der Vergütungssätze dürfte es aber wohl rechtlich nicht zulässig sein, zum Beispiel aus dem BRTV nur die für den Arbeitgeber günstige Regelung für Sonderzahlungen zu übernehmen, nicht aber die übrigen Vergütungsregelungen. Rechtsprechung dazu ist (noch) nicht ersichtlich. So weit im Arbeitsvertrag allgemein auf den jeweils gültigen Tarifvertrag Bezug genommen wird, ist damit auch der Tarifvertrag für die Altersvorsorge als Bestandteil des Gehaltstarifvertrags mit in Bezug genommen.

Bedenken bestehen gegen die Wirksamkeit einer lediglich stillschweigenden Bezugnahme eines Tarifvertrags. An eine solche sind im Hinblick auf die Bestimmtheit der Einbeziehung strenge Anforderungen zu stellen.

Betriebliche Übung

Umstritten ist, ob ein Tarifvertrag auch durch betriebliche Übung für die nicht in einer Gewerkschaft organisierten Arbeitnehmer gelten kann. Mit der Rechtsprechung ist diese Frage zu bejahen. Nach langjähriger betrieblicher Praxis kann ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer darauf entstehen, auch als nicht gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer wie die anderen Mitarbeiter im Unternehmen in den Geltungsbereich des Tarifvertrags einbezogen zu werden. Die betriebliche Übung kann sich aber immer nur auf konkrete Tarifverträge beziehen, nicht aber darauf, dass jeweils alle – auch zukünftige – Tarifverträge generell auf Außenseiter angewandt werden. Deshalb kann auch keine betriebliche Übung auf Übernahme einer Tariflohnerhöhung entstehen.

Empfehlung

In der Praxis wird der Arbeitgeber entscheiden müssen, ob und inwieweit der jeweils gültige Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis mit seinen Arbeitnehmern Anwendung finden soll. Möchte der Arbeitgeber ungebunden bleiben, wird er alle Rechte und Pflichten im Arbeitsvertrag individuell regeln und nicht auf den Tarifvertrag Bezug nehmen.

Bevorzugt der Arbeitgeber hingegen eine vollständige oder teilweise Bindung an den jeweiligen Tarifvertrag, kann er zusätzlich entscheiden, ob er diesen Tarifvertrag in der gültigen Fassung jeweils insgesamt im Arbeitsvertrag in Bezug nimmt oder nur im Hinblick auf bestimmte Regelungen wie Arbeitszeit, Kündigungsregelung oder aber die tariflichen Vergütungssätze. Sofern sich der Arbeitgeber für die Inbezugnahme des gesamten Tarifvertrags entscheidet, müsste im jeweiligen Arbeitsvertrag für selbständige Ärzte formuliert werden:

„So weit in diesem Arbeitsvertrag nicht anderweitig geregelt, gelten ergänzend zu den Bestimmungen dieses Arbeitsvertrags der Gehaltstarifvertrag, der Manteltarifvertrag und der Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung und Entgeltumwandlung für Medizinische Fachangestellte/Arzthelferinnen in ihrer jeweils gültigen Fassung“.

In den Arbeitsverträgen für selbständige Apotheker müsste formuliert werden:

„So weit in diesem Arbeitsvertrag nicht anderweitig geregelt, gelten ergänzend zu den Bestimmungen dieses Arbeitsvertrags der Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter in seiner jeweils gültigen Fassung“.

Dr. Johannes Kevekordes
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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