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Sind Mietzuschüsse von Apothekern an Ärzte verboten? – Apothekenrecht

- Neuregelungen durch das Versorgungsstrukturgesetz –

A. Meinungsstand

Am 1. Januar 2012 ist das Versorgungsstrukturgesetz in Kraft getreten, mit dem der   Gesetzgeber im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung u.a. die Versorgung der Versicherten auf dem Lande verbessern und die Überversorgung in den Ballungsgebieten abbauen möchte. Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber zugleich die Sanktionen für unzulässige Zuwendungen an Ärzte durch Leistungserbringer wie z.B. Apotheker verschärft. Vereinzelt wird von Anwälten die Meinung vertreten, dass Mietzuschüsse von Apothekern an Ärzte generell verboten seien. Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu dieser Frage liegt noch nicht vor. Nach Auffassung des Verfassers besteht nach Wortlaut und Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen kein generelles Verbot von Mietzuschüssen an Ärzte.

B. Erstmaliges Verbot für Kassenärzte durch das Versorgungsstrukturgesetz

Bereits bisher war es für Ärzte durch die Berufsordnungen der Länder (§ 31 Musterberufsordnung Ärzte) verboten, für die Zuweisung von Patienten oder für die Verordnung von Arzneimitteln ein Entgelt oder andere Vorteile zu fordern, sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen. Es war ebenfalls verboten, Patienten ohne hinreichenden Grund an eine bestimmte Apotheke zu verweisen.

Im Kassenarztrecht des SGB V waren hingegen für Ärzte – anders als für Apotheker – bisher keine Sanktionen vorgesehen.

Durch das Versorgungsstrukturgesetz ist in § 73 Abs. 7 SGB V, § 128 Abs. 5a SGB V und § 299a StGB (Strafgesetzbuch) erstmals geregelt, dass Vertragsärzte gegen ihre vertragsärztlichen und strafrechtlichen Pflichten verstoßen, wenn sie unzulässige Zuwendungen fordern oder annehmen.

Diese Änderung ist deswegen bedeutsam, weil die gesetzlichen Krankenkassen nunmehr die Kassenärztlichen Vereinigungen zwingend zu informieren haben, wenn Hinweise auf die Forderung oder Annahme unzulässiger Zuwendungen oder auf eine unzulässige Beeinflussung von Versicherten vorliegen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen können darüber hinaus künftig ihren Vertragsärzte Verwarnungen oder Geldbußen auferlegen oder ein Ruhen der Zulassung aussprechen, wenn der Vertragsarzt unzulässige Zuwendungen entgegengenommen hat. Vor der Gesetzesänderung haben die Kassenärztlichen Vereinigungen ihre Vertragsärzte nur nur in seltenen Fällen wegen der vorgenannten Verstöße behelligt, weil die "Zuweisung oder Verordnung gegen Entgelt" nicht explizit einen Verstoß gegen die vertragsärztlichen Pflichten darstellte, sondern "nur" einen berufsrechtlichen Verstoß.

C. Keine inhaltliche Änderungen der Regelungen für Mietzuschüsse

Abgesehen davon, dass außer Apothekern und sonstigen Leistungserbringern nun auch Ärzte dem sozialrechtlichen Zuwendungsverbot unterliegen, hat das Versorgungsstrukturgesetz Inhalt und Reichweite dieses Verbot nicht geändert. Bereits seit 2009 ist es Apothekern verboten, Ärzte gegen Gewährung von Mietzuschüssen an der Arzneimittelversorgung zu beteiligen oder Ärzten im Zusammenhang mit der Verordnung von Arzneimitteln Mietzuschüsse zu gewähren oder deren Praxis einzurichten. Das Gesetz fordert nach seinem Wortlaut sowie seinem Sinn und Zweck einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Mietzuschuss und der Verordnung von Arzneimitteln. Das bedeutet, dass der Mietzuschuss eine „Belohnung“ dafür sein muss, dass der Arzt Arzneimittel verordnet oder die Patienten veranlasst, die Arzneimittel in der kooperierenden Apotheke einzulösen.

Diese Auslegung entspricht auch der Auslegung des strafrechtlichen Zuwendungsverbots durch die Rechtsprechung. Das Oberlandesgericht Braunschweig ist mit Beschluss vom 25. Februar 2010 zu dem Ergebnis gelangt, dass Mietzuschüsse von Apothekern an Ärzte nicht generell strafbar sind. Es erschließe sich von selbst, dass ein Apotheker ein Interesse daran habe, in seiner Nähe möglichst viele Arztpraxen unterzubringen. Allein der Vorteil, der durch die Nähe einer Arztpraxis zu einer Apotheke entstehe, stelle für sich genommen keine Unrechtsvereinbarung dar. (Hinweis: Diese Rechtsprechung dürfte auch angesichts des strafrechtlichen Zuwendungsverbots nach § 299a StGB Bestand haben.)

Danach stellt eine Mietzuschussvereinbarung erst dann einen Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten dar, wenn ein Kassenarzt auf die Entscheidungsfreiheit seines Patienten einwirkt oder dieser keine Entscheidungsfreiheit (mehr) hat, der Kassenarzt für ihn entscheidet und der beteiligte Apotheker deshalb auf die Entscheidung des Kassenarztes Einfluss nehmen kann.

D. Konstellationen für zulässige und unzulässige Mietzuschüsse

1. Mietzuschüsse von Apothekern an Kassenärzte stellen deshalb nach Ansicht des Verfassers in folgenden Konstellationen keinen Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten oder gegen das den Apothekern auferlegte Zuwendungsverbot dar:

  • Ein Apotheker gewährt einem Vertragsarzt mit Praxis oberhalb der Apothekenräumlichkeiten oder in einer nah gelegenen Immobilie einen monatlichen Mietzuschuss. Die Patienten entscheiden selbst, ob sie die von dem Vertragsarzt ausgestellten Rezepte bei dem zuwendenden Apotheker oder einer anderen Apotheke einlösen.
  • Ein Apotheker erstellt ein "Ärztehaus“ mit Apotheke im Erdgeschoss und richtet die darüber liegenden Praxen ein. Er schließt mit den Ärzten eine Miete unter Marktniveau oder gewährt ihnen monatliche Mietzuschüsse. Die Patienten entscheiden selbst, ob sie ihre Rezepte bei der zuwendenden Apotheke oder einer anderen Apotheke einlösen.

2. Folgende Konstellation könnte problematisch sein: 

  • Ein Apotheker schließt mit einem Kassenarzt eine Mietzuschussvereinbarung ab, die variabel gestaltet ist und sich nach der Anzahl der eingelösten Rezepte gerichtet (Staffelung nach dem Umsatz). Eine solche Vereinbarung gibt einen Anreiz für den Arzt, seinen Patienten die Apotheke des zuwendenden Arztes zu empfehlen.  

3. In folgenden Konstellationen liegt eine unzulässige Mietzuschussvereinbarung vor: 

  • Ein Apotheker schließt mit einem Kassenarzt eine Mietzuschussvereinbarung ab. Der Kassenarzt schreibt den Namen der Apotheke des betreffenden Apothekers auf das Rezept oder erlaubt dem Apotheker „in Vertretung“ der Patienten, durch seinen Botendienst die von dem Kassenarzt ausgestellten Rezepte in dessen Praxis abzuholen und die betreffenden Patienten zu beliefern. 
  • Ein Apotheker schließt mit einem Kassenarzt eine Mietzuschussvereinbarung ab. Im Gegenzug, ohne dass dies vertraglich fixiert sein muss, bezieht der Kassenarzt seinen Praxisbedarf oder – im Fall einer onkologischen Praxis – die erforderlichen Zytostatika von der Apotheke des zuwendenden Apothekers. 

Gemäß § 11 Abs. 2 Apothekengesetz dürfen Apotheker Zytostatika zwar direkt an den anwendenden Onkologen abgeben. Gibt es mehrere Apotheken am Standort des Onkologen, die in der Lage sind, Zytostatika herzustellen, dürfte es den Beteiligten der Mietzuschussvereinbarung schwerfallen, einen Zusammenhang zwischen Mietzuschussvereinbarung und Belieferung mit Zytostatika von der Hand zu weisen. Diesen Zusammenhang können die Beteiligten wohl nur widerlegen, wenn am Standort des Onkologen nur eine Apotheke in der Lage ist, Zytostatika herzustellen. Dieser Hinweis ist praktisch von Bedeutung, weil in Deutschland nur rund 350 Apotheken bestehen, die in der Lage sind, Zytostatika ordnungsgemäß herzustellen. 

  • Sollte in den vorstehenden für unzulässig gehaltenen Konstellationen der Ehepartner des Apothekers oder eine von ihm beherrschte GmbH Eigentümer der Immobilie und/oder Vertragspartner des Kassenarztes sein, liegt zwar kein Verstoß gegen § 128 SGB V vor, weil der Ehepartner des Apothekers oder die betreffende GmbH kein Leistungserbringer ist. Die Verknüpfung zwischen der von dem Ehepartner oder der GmbH abgeschlossenen Mietzuschussvereinbarung und den Lieferungen von Praxisbedarf und/oder Zytostatika könnte aber möglicherweise dazu führen, dass in diesen Fällen ein Verstoß gegen das allgemeine berufsrechtliche Verbot der Zuweisung gegen Entgelt (§ 31 Musterberufsordnung Ärzte) vorliegt. 

E. Ausblick

Wie die Kassenärztlichen Vereinigungen mit der neuen Rechtslage umgehen werden, ist noch nicht abzusehen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind jedenfalls verpflichtet, die Besonderheiten jedes Einzelfalles genau zu prüfen und nicht jegliche Mietzuschussvereinbarung zwischen Apothekern und Ärzten als unzulässig einzustufen. 

 

Dr. Johannes Kevekordes
Rechtsanwalt und Notar

Für kompetente Beratung im Apothekenrecht

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